Zwei Frauen im Gespraech

Hör doch mal zu!

Ich wage zu behaupten, dass wir uns fast alle für gute Zuhörer halten. Wozu soll also ein Artikel über aktives Zuhören gut sein, wo es doch eigentlich nur die anderen nötig haben, etwas darüber zu lernen? Ganz einfach: Raum für Verbesserung gibt es immer. Bevor du also wegklickst, denk doch einmal über folgende Situationen nach. Stell dir vor, du bist im Gespräch mit jemandem…

  • … hast aber noch etwas Dringendes zu erledigen und gehst deswegen in Gedanken durch, was du noch alles tun musst.
  • … und bist nervös, weil du jederzeit zu Hause gebraucht werden könntest. Deshalb achtest du ständig mit einem Auge auf dein Handy.
  • … und hast dein Handy neben dir liegen, denn du wartest noch auf eine wichtige Nachricht. Oder du wirst von ständigen Nachrichten abgelenkt, die auf deinem Handy aufpoppen.
  • … und überlegst schon mal, welchen Rat du deinem Gegenüber geben kannst.
  • … doch dein Gegenüber langweilt dich. Außerdem ist das, was du zu erzählen hättest, sowieso viel lustiger, wichtiger oder interessanter und du kannst es kaum abwarten, endlich loszulegen.
  • … jegliches andere Szenario, in dem du abgelenkt bist und eben doch nicht gut zuhörst.

Na, hast du dich in einer dieser Aussagen wiedergefunden? Ich gebe zu, auch ich bin nicht frei von Schuld. In Gesprächen mit anderen ertappe ich mich immer wieder dabei, wie meine Gedanken abschweifen, und bei Telefonaten erledige ich gerne mal nebenbei noch andere Dinge. Dabei trägt aktives Zuhören nicht nur zum Glück unseres Gegenübers bei, indem es ihm das Gefühl vermittelt, verstanden und wertgeschätzt zu werden. Dadurch, dass es die Beziehung zu dieser Person vertieft, ist es auch für uns von Vorteil. Und das Beste ist, dass man es schnell lernen kann!

Was sagt die Forschung?

In einer Studie von Weger et al. aus dem Jahr 2014 wurden 115 Probanden in Gesprächen mit fremden Personen einer von drei Bedingungen ausgesetzt:

  1. In der ersten Bedingung hörten ihre Gesprächspartner aktiv zu. Das heißt, sie fassten das Gehörte zusammen, signalisierten Verständnis und stellten bei Bedarf Klarstellungsfragen.
  2. In der zweiten Bedingung erteilten ihre Gesprächspartner ihnen Ratschläge.
  3. In der dritten Bedingung signalisierten die Gesprächspartner durch Nicken und kurze Äußerungen wie „ich verstehe“, „das macht Sinn“ und „okay“, dass sie zuhörten. Die Forscher sehen dies als das Minimum kommunikativer Kompetenz an.

Das Ergebnis der Untersuchung zeigte, dass diejenigen, bei denen das Gegenüber aktiv zuhörte, sich besser verstanden fühlten, als diejenigen in den anderen beiden Bedingungen. Versuchspersonen in den Bedingungen „aktives Zuhören“ und „Ratschläge erteilen“ empfanden die Unterhaltung als zufriedenerstellender und ihr Gegenüber als sozial anziehender.

Beide Ergebnisse machen Sinn: Die meisten Menschen erwarten in ihren Gesprächen mehr als nur ein Nicken oder ein „okay“. Sie wollen sich verstanden und geschätzt fühlen, wie es beim aktiven Zuhören der Fall ist. Und auch wenn Ratschläge manchmal unerwünscht sein können, weil sie den Fokus vom Gesprächsthema nehmen und zur Meinung des Ratgebers hin verschieben, zeigen sie doch, dass die andere Person Interesse zeigt und helfen möchte.

Was kannst du selbst tun, um besser und aktiver zuzuhören?

Aktives Zuhören kann in vielen verschiedenen Situationen geübt werden. Das kann dann sein, wenn dein Partner oder deine Partnerin das Bedürfnis hat, sich Luft zu machen. Genauso gut geht es, wenn eine Freundin oder ein Freund ein offenes Ohr braucht oder wenn du ein ganz normales Gespräch führst und dir wünschst, es auf ein tieferes, persönlicheres Level zu führen.

Die richtigen Rahmenbedingungen schaffen

Nimm dir 15-30 Minuten Zeit für dein Gegenüber. Am besten ist es, wenn das Gespräch an einem möglichst ruhigen, störungsfreien Ort stattfindet. Ganz wichtig: Leg dein Handy zur Seite oder verstau es in der Tasche, um Ablenkung zu vermeiden und dich vollständig auf das Gespräch zu konzentrieren. Untersuchungen haben übrigens gezeigt, dass es glücklicher macht, ohne Handy unterwegs zu sein. Denn selbst wenn das Handy in der Tasche steckt, lenkt es uns noch ab!

Ein guter Gesprächseinstieg

Um das Gespräch zu beginnen, frag am besten, was deinen Gesprächspartner zurzeit beschäftigt. Du kannst mit einer unverfänglichen Frage starten wie „Was gibt es Neues bei dir?“. Gib nicht auf, wenn du keine zufriedenstellende Antwort erhältst. Dein Gegenüber ist es vielleicht nicht gewohnt, sich zu öffnen oder ihr habt bisher noch keine tiefgründigen Gespräche miteinander geführt und müsst erst das nötige Vertrauen aufbauen. Du könntest in dem Fall weitere Fragen stellen, zum Beispiel „Und was ist sonst noch so los?“. Du könntest dein Gegenüber aber auch direkt auf sein Befinden ansprechen: „Du siehst besorgt aus, ist alles in Ordnung?“

Methoden des aktiven Zuhörens

Du kannst eine oder mehrere der folgenden Methoden des aktiven Zuhörens anwenden:

  • Verwende Sätze wie „Es klingt, als ob…“ oder „Wenn ich dich richtig verstehe, dann…“. Damit signalisierst du deinem Gegenüber, dass du aufmerksam zuhörst und stellst gleichzeitig sicher, dass du seine Aussagen richtig verstehst.
  • Stelle gezielte Fragen, um die andere Person zu ermutigen, ihre Gedanken und Emotionen ausführlicher zu beschreiben. Du könntest beispielsweise fragen „Wie drückt sich das für dich aus?“ oder „Was bedeutet das für dich?“. Dies kann dabei helfen, dass sie sich selbst besser über ihre Gefühle im Klaren wird. Außerdem kannst du durch Fragen sicherstellen, dass du sie richtig verstanden hast, beispielsweise mit der Frage „Wenn du … sagst, meinst du…?“
  • Übe deine Empathiefähigkeit, indem du dich in die andere Person hineinversetzt und versuchst, ihre Gefühle zu verstehen. Wenn sie negative Emotionen zeigt, bemühe dich, diese anzuerkennen und zu respektieren, statt sie zu hinterfragen oder abzulehnen. Wenn die Person beispielweise Frustration ausdrückt, ist es hilfreich, die Gründe dafür zu verstehen. Dabei ist es egal, ob du in der gleichen Situation dasselbe empfinden würdest. Du könntest zum Beispiel sagen: „Ich sehe, dass du verärgert bist“ oder „Ich kann verstehen, wie diese Situation Verärgerung hervorrufen kann.“ Indem du Empathie zeigst, kannst du eine sichere und unterstützende Umgebung schaffen, in der dein Gegenüber sich verstanden und gehört fühlt.
  • Um Engagement und Interesse zu zeigen, ist es wichtig, eine aktive Körpersprache zu verwenden. Lehn dich nach vorne, halte Augenkontakt, nicke und nimm eine entspannte Körperhaltung ein, um deine Aufmerksamkeit zu signalisieren. Auch dein Gesichtsausdruck spielt eine Rolle – vermeide Mimik, die Missbilligung oder Abneigung signalisieren könnte.
  • Es ist wichtig, dass du vermeidest, ein Urteil über dein Gegenüber zu fällen. Dein Ziel sollte es sein, die andere Person zu verstehen und ihre Gedanken und Gefühle vollständig anzunehmen, auch wenn du anders denkst. Lass sie ausreden und widerspreche ihr nicht. Auch wenn du ihre Denkweise nicht verstehst, hat sie vielleicht einen guten Grund dafür.  
  • Bevor du Ratschläge gibst, ist es wichtig, dass du zuerst zuhörst, was die andere Person zu sagen hat. Denke nicht schon während sie spricht über deine Antwort nach, denn sonst verpasst du vieles von dem, was sie sagen möchte. Oftmals braucht die Person auch gar keine konkreten Ratschläge, sondern nur das Gefühl, dass ihr zugehört wird.
  • Schau dir auch nochmal den Artikel über den toxischen Optimismus an. Im Abschnitt „Wie kannst du einer Person helfen, die traurig ist?“ findest du noch weitere Tipps für gelungene Kommunikation.

Fazit

Wer sich bei Gesprächen desinteressiert zeigt, das Gespräch schnell auf seine eigenen Themen lenkt oder mit den Gedanken ständig wo anders ist, wird Schwierigkeiten damit haben, tiefe, vertrauensvolle Beziehungen zu anderen aufzubauen.

Aktives Zuhören hilft dir, das zu vermeiden. Es bringt so viele Vorteile, dass es sich wirklich lohnt, dem Ganzen eine Chance zu geben: Du machst dein Gegenüber damit glücklich, trägst zu einer zufriedenstellenden Beziehung bei und lernst, empathischer zu sein. Außerdem werden deine Gesprächspartner sich eher öffnen, wenn sie merken, dass du dich für das interessierst, was sie sagen. Nicht zuletzt kann es dazu beitragen, Spannungen abzubauen und verhindern, dass Konflikte eskalieren.

Toll ist, dass es auch für diejenigen geeignet ist, die Schwierigkeiten dabei haben, Gespräche am Laufen zu halten. Denn durch aktives Zuhören musst du dir keinen Kopf machen, worüber du reden könntest und wirkst trotzdem gleich sympathischer!

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Quellenangaben:

Weger, H., Castle Bell, G., Minei, E.M., & Robinson, M.C. (2014). The Relative Effectiveness of Active Listening in Initial Interactions. International Journal of Listening, 28, 13 – 31.

2 Kommentare zu „Hör doch mal zu!“

  1. Toller Blog Beitrag, der zum Nachdenken und Umdenken anregt.
    Habe mich selbst, im positiven wie im negativen, wiedergefunden.
    Ich glaube zwar schon, dass ich eine gute Zuhörerin bin, aber mich auch mal schnell durch das Handy, den Fernseher oder andere Gespräche im Raum, beim Zuhören, ablenken lasse. Durch diesen Beitrag ist mir das bewusst geworden und ich werde in Zukunft versuchen daran, also an mir, zu arbeiten. Schließlich möchte man umgedreht auch mit voller Aufmerksamkeit gehört werden.
    Danke liebe Christiane für die Impulse.

    1. Vielen lieben Dank, liebe Susi. Es freut mich total, dass meine Beiträge gelesen werden und vor allem, dass sie anderen helfen! Da machen die Recherche und das Schreiben gleich nochmal so viel Spaß. Lustigerweise haben sich alle, mit denen ich über den Artikel geredet haben, darin wiedererkannt. Ich selbst ja auch! Aber das Leben wäre ja auch schrecklich langweilig, wenn es für uns nichts mehr zu lernen gäbe.

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