Von Prioritäten und Pflichten

Ich kenne wenige Leute, die für all die Dinge Zeit haben, die sie gerne tun würden. Die Realität sieht oft anders aus: Wir haben ellenlange, mit Pflichten gefüllte To Do Listen, doch uns fehlt die Zeit und wir erledigen oft nur einen Bruchteil davon. Gerade habe ich einen Blick auf meine To Do Liste für das 4-Tage-Wochenende über Fronleichnam geworfen. Von 12 Aufgaben habe ich 2 erfüllt. Es ist jetzt Sonntag – so viel dazu. Dabei war ich nicht untätig, sondern habe mich auf eine Aufgabe konzentriert, die meine gesamte Zeit in Anspruch genommen hat. Womit wir zum Thema Prioritäten kommen.

Das ganze Leben ist ein – Krug

Stephen R. Covey prägte eine wie ich finde wunderbar anschauliche Metapher: Ein Krug als Sinnbild für das Leben. Die Metapher wurde im Laufe der Zeit in eine Geschichte übertragen, die ich in leicht abgewandelter Form erzählen möchte:

Ein Professor betritt den Hörsaal. Aus seiner Tasche holt er einen transparenten Krug und ein großes Glas, das mit Sand gefüllt ist. Er füllt den Sand in den Krug, der jetzt schon gut gefüllt ist. Dann holt er ein Glas mit Kieselsteinen und schüttet sie auf den Sand. Jetzt passt so gut wie gar nichts mehr in den Krug. Er ist aber noch nicht fertig. Er zieht eine Tüte mit Golfbällen aus der Tasche, die auch noch in den Krug hineinpassen sollen. Zwei oder drei kriegt er noch rein, doch das war es, mehr geht nicht.

Er erklärt den anwesenden Studierenden, dass der Sand für die vielen kleinen Dinge steht, die unser Leben füllen. Viele dieser Dinge dienen lediglich dazu, die Zeit totzuschlagen. Dazu können zählen: Fernsehen, Videospiele, durch soziale Netzwerken scrollen oder zu viel Zeit im Internet verbringen. Wir merken, dass die Tätigkeiten zu „Sand“ geworden sind, wenn sie uns nicht mehr mit Freude erfüllen und ein Gefühl der Langeweile oder inneren Leere erzeugen.

Der Kies hingegen repräsentiert die mittelgroßen Aufgaben und Verpflichtungen. Diese haben zwar etwas mehr Bedeutung als der Sand, zählen aber immer noch nicht zu den wesentlichen Elementen unseres Lebens. Dazu zählen alltägliche Aufgaben und Verpflichtungen, die zwar erledigt werden müssen, aber oft nicht von großer Bedeutung für unsere langfristigen Ziele und Werte sind. Das mögen Arbeiten im Haushalt, die Muffins für die Feier in der KiTa oder auch die Fahrt zur Arbeit sein.

Die Golfbälle stehen für die essenziellen und bedeutsamen Aspekte unseres Lebens. Sie repräsentieren unsere Ziele, Werte, Beziehungen, Leidenschaften. Es sind die Dinge, die uns Freude, Erfüllung und Zufriedenheit bringen.

Der Trick liegt in der Reihenfolge

Wie können wir also verhindern, dass uns Kleinigkeiten und tägliche Routinearbeiten Zeit und Raum für die wichtigen Dinge in unserem Leben klauen?

Drehen wir das Ganze einmal um und lassen den Professor als erstes die Golfbälle in den Krug füllen. All unsere Prioritäten sind jetzt wunderbar darin untergebracht. Jetzt schütten wir die Kieselsteine in den Krug – sie fallen zwischen die Ritzen und haben ausreichend Platz. Und nun schütten wir den Sand hinein. Ab und an schütteln wir den Krug kurz, dann passt auch der Sand noch in alle Ritzen.

Füllen wir den Krug zuerst mit Sand und Kies, mag es zwar so aussehen, als ob wir wichtige Dinge tun. Letztendlich kann dies jedoch dazu führen, dass wir die wirklich bedeutsamen Aspekte unseres Lebens vernachlässigen.

Prioritäten sind wichtig für ein erfülltes Leben

Was möchte uns diese Metapher sagen? Wir sollten zuerst die wichtigen Dinge im Leben angehen und dann Raum für die weniger wichtigen Aufgaben finden. Kehrt man die Reihenfolge um und erledigt zuerst die weniger wichtigen Dinge, kann es schwierig werden, genug Zeit und Energie für die wirklich bedeutsamen Dinge zu finden.

Arbeit pflegt sich so auszudehnendass sie jeden für sie verfügbaren Freiraum ausfüllt.

Cyril Northcote Parkinson

Prioritäten den Raum geben, den sie verdienen

Die Anwendung dieser Metapher im Alltag erfordert bewusstes Nachdenken über unsere Prioritäten und die Art und Weise, wie wir unsere Zeit und Energie investieren. Hier sind einige Gedankenanstöße:

  • Identifiziere deine Prioritäten: Reflektiere über deine Ziele, Werte und Leidenschaften. Was ist dir wirklich wichtig im Leben? Identifiziere diese „Golfbälle“ und mache sie zu deinen Prioritäten. Dies könnten deine Familie, deine Gesundheit, deine Karriere, deine Hobbys oder dein persönliches Wachstum sein. Indem du deine Prioritäten erkennst, kannst du sicherstellen, dass sie den Platz erhalten, den sie verdienen.
  • Setze Prioritäten: Ordne deine Zeit und Energie entsprechend deiner identifizierten Prioritäten an. Stelle sicher, dass du genügend Zeit für die Dinge einplanst, die dir wichtig sind. Blockiere bewusst Zeit in deinem Kalender für Aktivitäten, die dir Freude bereiten und dich erfüllen. Und vor allem: Beachte, dass nicht alles, was mit deiner Priorität zu tun hat, selbst wiederum priorisiert werden muss. Oft finden sich in diesem Bereich auch Kieselsteine – eine deiner Prioritäten mag deine Familie sein. Das heißt nicht, dass dazu auch die bäckereiwürdigen Muffins gehören oder das makellos aufgeräumte Wohnzimmer, damit sich deine Familie schön wohl fühlt, während du vor Erschöpfung fast zusammenklappst.
  • Lerne, nein zu sagen: In manchen Situationen musst du dich vielleicht zwischen einer Verpflichtung und einem deiner wichtigsten Ziele entscheiden. Indem du nein sagst und Grenzen setzt, stellst du sicher, dass deine Prioritäten nicht von unwichtigen oder Pflichtaufgaben überwältigt werden. Und habe keine Angst, dass du dann nicht mehr gemocht wirst – du wirst sehen, dass die Menschen dich dafür respektieren. Natürlich solltest du es nicht übertreiben und nicht künftig alles kategorisch ablehnen.
  • Bitte um Hilfe: Die wenigsten von uns können Gedanken lesen und niemand weiß, dass du überlastet bist, wenn du nicht um Hilfe bittest. Gehe dabei über die „üblichen Verdächtigen“ hinaus und frage auch außerhalb des familiären Umfelds an. Das Schlimmste, was dir passieren kann, ist dass du ein Nein erntest. Sieh das nicht als Ablehnung dir gegenüber, sondern als ein Kompliment an dich: Die Person traut sich, dir gegenüber nein zu sagen.
  • Löse dich vom Perfektionismus: Die Wohnung überlebt ein paar Staubflusen, die Spülmaschine reinigt das Geschirr auch dann, wenn es nicht perfekt eingeräumt wurde und die Fenster können auch mal ein paar Pollen oder Streifen ab. Nimm Hilfe auch dann an, wenn sie deinen Ansprüchen an Perfektion nicht genügt. Und auch die Dinge, die du selbst tust, müssen nicht immer perfekt sein. Überlege, wo du Zeit sparen kannst, wenn du nur 80% gibst statt wie üblich 100%.
  • Zeitmanagement: Nutze effektive Zeitmanagement-Techniken, um deine Prioritäten in deinen Tagesablauf zu integrieren. Erstelle einen Plan, der es dir ermöglicht, Zeit für deine Prioritäten freizumachen.
  • Delegieren: Delegiere oder automatisiere Aufgaben, die weniger bedeutend sind. Damit schaffst du Raum für die Dinge, die dir wirklich wichtig sind.
  • Ungeliebte Tätigkeiten spaßiger machen: Bündele Dinge, die dir Spaß machen mit denen, die erledigt werden müssen. Hörst du gerne Podcasts oder Hörbücher, dann tu das beim Zusammenlegen der Wäsche, auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Cross-Trainer. Mittlerweile kannst du in vielen Fitness-Studios auf dem Cross-Trainer auch deine Lieblingsserie anschauen.
  • Bewusstsein für den Sand und den Kies: Obwohl die Alltagsaufgaben und auch die an sich unnötigen Tätigkeiten nicht die wichtigsten Elemente sind, gebührt ihnen dennoch ein Platz in unserem Leben. Das Erledigen alltäglicher Aufgaben und Verpflichtungen ist notwendig, um Ordnung und Stabilität zu gewährleisten. Nur halte sie in einem angemessenen Verhältnis zu deinen Prioritäten und lasse dich nicht von ihnen überwältigen.

Wie kann das im echten Leben aussehen?

Um wieder zu meiner To Do Liste zurückzukommen, von der erst zwei Aufgaben abgehakt sind: Predige ich etwa, woran ich mich selbst nicht halte? Ganz im Gegenteil.

Meine Top-Priorität ist es, bis Mitte Juni das Manuskript fertigzustellen und zu versenden, an dem ich seit Oktober arbeite. Zusammen mit meinem Brotjob und diesem Blog läppert sich das zu einer 55-60 Stundenwoche zusammen. Deshalb habe ich kurzzeitig andere Prioritäten wie Ausgehen mit Freunden oder Weiterbildungskurse besuchen untergeordnet. Für diesen Artikel habe ich mir ein Thema ausgesucht, für das ich nicht viel recherchieren musste. Die gesparte Zeit habe ich ins Exposé gesteckt. Außerdem habe ich überlegt, welchen Kieselsteinen ich erst einmal weniger Aufmerksamkeit schenke, wo ich also auch mal was schleifen lassen kann. Meine To Do Liste läuft mir nicht weg, die meisten Aufgaben kann ich auch am nächsten Wochenende noch erledigen.

Wichtig ist, sich selbst wohlwollend zu behandeln und nicht zu viel von sich zu verlangen. Vor allem dann, wenn man merkt, dass der Stress Überhand nimmt und man in Arbeit zu ersticken droht. Es ist okay, auch mal Kompromisse zu machen!

Wie immer gilt: Wenn du den nächsten Weg zum Glück nicht verpassen möchtest, folge mir auf Instagram: @christianeschreibtvomglueck


Quellenangaben:

Covey, S. R. (2018). Die 7 Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg (51. überarb. Aufl.). Offenbach: Gabal.

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Videos (beide in englischer Sprache): Das Video von Stephen R. Covey [Link zur Seite von Franklin Covey] ist uralt, zeigt aber sehr schön, wie er die Metapher verdeutlicht hat. Dieses Video [Youtube] zeigt die Geschichte mit dem fiktiven Professor.

5 Kommentare zu „Von Prioritäten und Pflichten“

  1. Pingback: 12. Die umgekehrte "Bucket-Liste" - Christiane Wolter

  2. Liebe Christiane,

    dein Blogartikel über Prioritäten und Selbstfürsorge spricht mich als Life Coachin für Frauen sehr an.

    Ich kenne die Herausforderung, mit einer langen Liste von Verpflichtungen und Aufgaben konfrontiert zu sein, die uns oft daran hindern, die Dinge zu tun, die uns wirklich wichtig sind.

    Deine Betonung der Selbstfürsorge ist besonders wichtig. Oft vernachlässigen wir uns selbst und unsere Bedürfnisse, während wir uns um die Erwartungen anderer kümmern. Daher ist es entscheidend, sich bewusst Zeit für uns zu nehmen und für unsere körperliche und emotionale Gesundheit zu sorgen.

    Deine praktischen Tipps zum Setzen von Prioritäten, dem Lernen, Nein zu sagen, und dem Delegieren von Aufgaben sind äußerst wertvoll. Es erfordert Mut und Selbstreflexion, um herauszufinden, was uns wirklich wichtig ist und wie wir unsere Zeit am besten nutzen können.

    Vielen Dank, dass du deine Erfahrungen und Erkenntnisse in diesem Artikel geteilt hast. Es ist inspirierend zu sehen, wie du selbst mit deinen Prioritäten umgehst und dich bewusst für die wichtigen Dinge in deinem Leben entscheidest. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und Gelassenheit auf deinem Weg.

    Herzliche Grüße,
    Luisa Riffel •• Life Coachin für berufstätige Mütter

    1. Liebe Luisa,

      herzlichen Dank für deinen Kommentar und auch dafür, dass du deine wertvolle Erfahrung mit uns teilst! Das bestätigt mich noch einmal darin, dass das Thema auch aus Coaching-Sicht Relevanz hat.

      Das Thema Selbstfürsorge ist für viele sicher gar nicht so einfach – vor allem wenn man befürchtet, selbstsüchtig zu sein, wenn man sich um sich selbst kümmert. Dabei hast du absolut Recht, wenn du sagst, dass wir damit für unsere körperliche und emotionale Gesundheit sorgen. Es ist wirklich wert, sich das immer wieder vor Augen zu halten.

      Und auch mit deiner Aussage zum Thema Prioritäten hast du Recht: Sich seiner Prioritäten bewusst zu werden, erfordert Selbstreflexion; die Umsetzung erfordert Mut. Vielleicht hilft es für die Reflexion, wenn man sich neben der Frage „Was ist mir wichtig“ überlegt: „Wofür brenne ich?“ Denn dann kommen wir auf die Dinge, die uns wirklich erfüllen.

      Viele liebe Grüße
      Christiane

  3. Hallo liebe Christiane,
    vielen Dank für deine anschaulich Geschichte.
    Habe dich gerade erst über eine Challenge von Judith Peters gefunden.

    Es gibt viele, die über das Glück und es zu finden Bloggen.
    Dein Blogbeitrag hat mir schonmal sehr gut gefallen.
    Jetzt aber muss ich erst malPrioritäten setzen.
    Komme dich aber bald mal wieder hier besuchen.

    Eine Frage zum Schluss:
    Kann ich deinen Blog auch irgendwo speichern?

    Herzliche Grüße und einen guten Start in die Woche.

    Christiane

    1. Hallo Christiane,

      ich musste gerade sehr über deinen Satz „Jetzt muss ich erst mal Prioritäten setzen“ lachen, danke dafür! Ich freue mich wirklich, dass du zu meinem Blog gefunden hast. Es stimmt, dass viele Menschen über das Glück schreiben, was ja auch gut ist. Wer nach Tipps sucht, findet dann auf jeden Fall etwas, und die Welt braucht glückliche Menschen.

      Meinen Blog kannst du momentan höchstens als Bookmark abspeichern. Ich poste jeden 15. eines Monats einen neuen Beitrag. Falls du auf Instagram bist, kann du mir dort folgen (@christianeschreibtvomglueck), ich mache dort immer auf den neusten Beitrag aufmerksam. Einen Newsletter habe ich zurzeit noch nicht, das kommt hoffentlich bald noch!

      Vielen Dank jedenfalls für deinen Kommentar und viele liebe Grüße
      Christiane

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