Neues erleben und die Gegend erkunden macht glücklich - Ausschnitt aus Hamburger Stadtplan

Öfter mal was Neues erleben

Wenn wir uns niedergeschlagen fühlen oder einen schlechten Tag haben, neigen wir oft dazu, uns zu Hause zu verkriechen und uns mit Dingen zu trösten, die uns kurzfristig glücklich machen, wie „Comfort Food“, Fernsehen oder Alkohol. Eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigt allerdings, dass diese Strategien uns langfristig nicht helfen und unsere Stimmung sogar noch weiter verschlechtern können (Heller et al.).

Das Gute ist, dass die gleiche Studie auch gezeigt hat, dass es eine gesündere und wirksamere Alternative gibt. Zwar müssen wir uns dafür aufraffen und nach draußen gehen, doch es ist die Mühe absolut wert. Denn unsere physische Umgebung hat einen erheblichen Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden. Soll heißen: Wenn wir Neues erleben, also neue Orte besuchen und eine größere Vielfalt an Erfahrungen machen, fühlen wir uns glücklicher und zufriedener.

Das widerspricht zwar den Ratschlägen bezüglich einer „gesunden Routine“, die man gerne mal zu hören bekommt. Und sicherlich gibt es sie, die gesunde Routine – beim Zähneputzen, beim vitaminreichen Abendessen, beim wöchentlichen Sportprogramm. Doch dass es gesund sein kann, Routine auch einmal zu durchbrechen, lässt sich durch ein Konzept aus der Psychologie erklären: Hedonische Anpassung. So bezeichnet man das Phänomen, dass Menschen sich nach einer gewissen Zeit an positive Erfahrungen gewöhnen und sie weniger schätzen als zuvor. Man könnte es auch als den Reiz des Neuen bezeichnen – irgendwann ist das Neue eben nicht mehr neu, wird zur Gewohnheit und macht uns nicht mehr so glücklich. Jetzt wieder etwas „neues Neues“ zu erleben, kann diesem Effekt entgegenwirken.

Was sagt die Forschung?

Die oben erwähnte Studie war sehr umfangreich. 122 Personen aus New York und Miami wurden drei bis vier Monate lang untersucht. Mithilfe von GPS-Daten wurde erfasst, wie weit sie sich von ihrem Zuhause entfernten und welche Orte sie aufsuchten. Zudem wurden sie gebeten, ihr subjektives Wohlbefinden per SMS zu bewerten. Abgefragt wurden positive Gefühlszustände (glücklich, aufgeregt, stark, entspannt, aufmerksam) und negative Gefühlszustände (nervös, überspannt, aufgebracht, gereizt, lustlos).

Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Probanden fühlten sich glücklicher, wenn sie mehrere unterschiedliche Orte aufsuchten, die ihnen neu waren. Der Effekt trat schon am selben Tag ein, hielt aber auch noch am nächsten Tag an. Er trat auch dann ein, wenn die Person bei Beginn ihrer Entdeckungstour noch keine gute Laune hatte. Dabei verbesserte sich die Stimmung nicht aufgrund der zurückgelegten Distanz. Das Entscheidende ist es, verschiedenartige Orte aufzusuchen und dabei Neues zu erleben.

Bei etwa der Hälfte der Versuchspersonen wurde außerdem die Gehirnaktivität untersucht. Eine Gruppe von Personen zeigte dabei eine stärkere Aktivierung in zwei Gehirnregionen, die mit der Verarbeitung von Neuem und mit Belohnung in Verbindung stehen. Das waren die Menschen, die stärkere positive Gefühle hatten, wenn sie neue Erfahrungen machten. Kurz gesagt: Neues zu erleben hat bei ihnen das Belohnungszentrum aktiviert.

Nicht zuletzt ist aus der Forschung bekannt, dass es uns glücklich macht, präsent zu sein und den gegenwärtigen Moment zu leben. Wenn wir Neues erleben, befinden wir uns mehr im Hier und Jetzt, da wir unsere Aufmerksamkeit auf das Neue richten. Auch dies hat sicherlich zu den gesteigerten positiven Gefühlen beigetragen.

Wie kann ich mehr Neues erleben und von diesem Effekt profitieren?

Die Studie zeigt, dass sich Personen glücklicher fühlen, deren Alltag von größerer Vielfalt geprägt ist. Dabei geht es nicht nur darum, neue Orte zu entdecken. Auch kleine Veränderungen im Alltag können einen großen Effekt haben, wenn sie die gewohnte Routine durchbrechen. Es spielt keine Rolle, ob diese Veränderungen so wie in der Untersuchung in der örtlichen Umgebung stattfinden oder ob es sich um mentale Abwechslung handelt.

Wenn du von diesem Effekt profitieren möchtest, geht das am einfachsten, wenn du nach draußen gehst und eine neue Gegend erkundest, und wenn es nur eine Seitenstraße ist, durch die du noch nicht gelaufen bist. Falls es dir jedoch wie mir geht und du seit Covid gefühlt jeden Meter im Umkreis von mehreren Kilometern auswendig kennst, erfordert dies ein wenig mehr Kreativität. Mir persönlich widerstrebt es mittlerweile sogar, in den nahegelegenen Park zu gehen, nachdem ich ihn bereits zigfach durchforstet habe. Er hat einfach nichts Neues mehr zu bieten. Mir ist aber aufgefallen, wie belebend ich es fand, als ich zwei neue, kleine Cafés in meiner Umgebung entdeckt habe. Es hat mir schon ausgereicht zu wissen, dass sie da sind, wenn ich mal Lust auf einen Spezialitäten-Kaffee oder auf eine besondere Eiscréme habe, mehr war gar nicht nötig. Was kann man also tun, um sich den kleinen Neuigkeits-Kick zu holen?

Ideen für den Neuigkeits-Kick
  • Nimm einen neuen Weg beim Spaziergang um den Block oder zum Supermarkt.
  • Falls du einen öffentlichen Bücherschrank in der Nähe hast: Hier gibt es fast täglich neue Bücher zu entdecken. Auch wenn die meisten vielleicht nicht weiter interessant sind, bietet alleine schon das Überfliegen der Buchtitel Neues.
  • Probiere eine neue Tätigkeit aus, ganz egal welche. Das kann Malen sein, Schreiben, Häkeln oder was auch immer dir einfällt. Bonuspunkte gibt es, wenn du diese Tätigkeit in einer ungewohnten Umgebung ausführst, denn das sorgt für weitere neue Eindrücke.
  • Mache in einer ungewohnten Umgebung Sport, beispielsweise zu Hause, wenn du normalerweise im Fitness-Studio unterwegs bist.
  • Fahre mit dem Bus oder der Bahn zu einer dir bisher unbekannten Haltestelle und erkunde dort die Gegend. Selbstverständlich ist hier der klare Menschenverstand gefragt, achte bitte darauf, nicht in gefährliche Gegenden zu gehen.
  • Hast du noch andere Tipps? Dann schreibe sie gerne in die Kommentare. Ich freue mich immer über neue Ideen, ein bisschen Abwechslung in den Alltag zu bekommen!

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Heller, A.S., Shi, T.C., Ezie, C.E.C. et al. (2020). Association between real-world experiential diversity and positive affect relates to hippocampal–striatal functional connectivity. Nature Neuroscience 23, 800–804.

4 Kommentare zu „Öfter mal was Neues erleben“

  1. Interessanter Artikel, Christiane.
    Bisher habe ich mich zumindest beim Reisen immer an die Weisheit des Dalai Lamas gehalten: „Gehe einmal im Jahr irgendwohin, wo du noch nie warst.“
    Aber stimmt, auch im Alltag können wir viele Kleinigkeiten tun, um dieses Gefühl von Neu hervorzurufen. Mir ist allerdings der Zusammenhang noch nie so konkret bewusst gewesen.
    Also Danke für die Denkanstöße. ☺️

    1. Hallo Rebecca, das ist ein super Motto, das werde ich mir klauen und auf meine Prio-Liste setzen! Mir war der Zusammenhang auch nicht klar gewesen, bevor ich über die Untersuchung gestolpert bin. Irgendwie toll, wie manchmal schon Kleinigkeiten helfen, um ein kleines bisschen glücklicher zu werden 🙂

  2. Liebe Christiane!
    Vielen lieben Dank für den Artikel! Jetzt verstehe ich endlich, warum ich immer wieder an neue Orte möchte und immer unterschiedliche Sportarten, Tätigkeiten, Urlaubsorte usw. auswähle. Bis jetzt dachte ich mir, dass ich einfach Abwechslung brauche, aber dass es mich auch glücklicher macht, das hätte ich nicht gedacht. Endlich kann ich meinem Freund auch erklären, warum das so ist. Er ist nämlich, der der immer alles eher gleich haben möchte.
    Liebe Grüße Barbara

    1. Liebe Barbara,
      vielen Dank für Deine Nachricht! Das mit den unterschiedlichen Urlaubsorten und Aktivitäten kann ich total gut nachvollziehen. Bei mir ist es auch selten, dass es mich zweimal an den gleichen Urlaubsort zieht, es sei denn, ich habe eine tiefe, emotionale Verbindung zu dem Ort. Vielleicht gehören wir ja zu den Menschen, bei denen auch das Belohnungszentrum im Hirn anspringt, wenn wir etwas Neues erleben, während diese Verbindung bei Deinem Freund nicht ganz so stark ist?
      Ich wünsche Dir jedenfalls noch viele tolle Erlebnisse beim Ausprobieren von neuen Tätigkeiten, Sportarten und Urlaubsorten! 🙂
      Liebe Grüße
      Christiane

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