Teddybären machen glücklich

Bärenstark

Fragt man jemanden, was das Tolle an Kuscheltieren ist, erhält man wahrscheinlich die Antwort: Teddybären machen glücklich – zumindest gilt das für kleine Kinder. Für Erwachsenen kann das doch aber nicht gelten. Oder?

Letztes Jahr im Dezember hatten mein Freund und ich endlich wieder einen richtigen Urlaub geplant, zwei Wochen sommerliches Sri Lanka. Wir leben in einer Fernbeziehung und hatten uns seit drei Wochen nicht gesehen, also war die Vorfreude auf den Urlaub riesig. Flüge, Hotels und eine der szenischen Bahnfahrten waren gebucht, alles war fertig geplant. Dann, kurz vor dem Abflug nach Colombo, wurde die Mutter meines Freundes krank. Und zwar so sehr, dass sie ins Krankenhaus musste und es nicht sicher war, ob sie wieder lebend herauskommen würde. Wegen der Covid-Einschränkungen durfte zudem nur eine Person zu Besuch ins Krankenhaus. Das Los fiel auf den Bruder meines Freundes, der im gleichen Ort wie die Mutter lebt.

Ein geplatzter Urlaub

Der Urlaub war logischerweise gestrichen, mein Freund wusste nicht, ob und wann er seine Mutter wiedersehen würde. Aus verschiedenen Gründen hatte es auch keinen Sinn für mich gemacht, zu ihm nach England zu fliegen. Also habe ich überlegt, was ich tun könnte, damit es ihm ein bisschen besser geht. Meine Mutter hatte mir vor fast 25 Jahren während des Studiums einen Teddy geschenkt, der mir schon über viele schwere Zeiten geholfen hat und mich noch heute begleitet. Ob ein Teddy auch etwas für meinen Freund wäre?

Nun haben wir beide die euphemistische zweite Lebenshälfte – wer wird heutzutage bitte 100 Jahre alt? – schon begonnen (er) oder stehen kurz davor (ich). Trotzdem hatte mir irgend etwas gesagt, dass das mit dem Teddy eine gute Idee ist. Gesagt, getan, ich habe mich bei meiner Lieblingskuscheltiermarke umgeschaut und den perfekten Teddy gefunden: mittelgroß, super kuschelig, mit braunen Pfoten. Noch dazu entspricht sein Name dem zweiten Vornamen meines Partners, wenn das mal kein Zeichen war!

Und was hat er zu dem Teddybären gesagt? Er fand ihn super! Dieses Jahr hatten wir ihn im Sommerurlaub in den USA dabei und ab und an nimmt mein Freund seinen Teddy Eddie mit zu mir, damit der meinen kleinen Teddy Rupert besuchen kann. Wie gesagt, wir sind keine Kinder mehr, haben ernsthafte Jobs und sind einigermaßen zurechnungsfähig. Was also bringt uns dazu, uns so aufzuführen?

Googelt man das Thema, findet man diverse Webseiten, die eine Untersuchung an über 2000 amerikanischen Erwachsenen zitieren. Danach besitzen über 50% der Befragten ein Kuscheltier und 40% nehmen dieses mit ins Bett. Eine Befragung in Großbritannien zeigte, dass über die Hälfte der befragten Erwachsenen einen Teddybär besitzen und dass über 35% der Befragten ihren Teddy mit ins Bett nehmen. Die Gesellschaft für Konsumforschung führte 2013 eine ähnliche Befragung unter 1100 Deutschen durch, die ergab, dass 19% der befragten Frauen und 11% der Männer ihr Stofftier mit in den Urlaub nehmen. 14% von ihnen können nicht ohne einschlafen. Falls es dir ähnlich geht und du befürchtet hast, damit allein auf weiter Flur zu sein: Du bist in guter Gesellschaft!

Was sagt die Forschung?

Die meisten Forschungsergebnisse beziehen sich auf den Nutzen von Plüschtieren bei Kindern. Es macht aber sowieso Sinn, sich zuerst einmal damit zu beschäftigen, was Teddys bei Kindern bewirken, bevor wir zu ihrer Bedeutung für Erwachsene übergehen.

Plüschtiere fördern die Entwicklung von Kindern

Einer der ersten Forscher, der sich mit dem Nutzen von Plüschtieren beschäftigt hat, war der englische Psychoanalytiker Donald Winnicott. Er bezeichnete Teddybären, sonstige Plüschtiere und auch Kuscheldecken als „transitional objects“, also Übergangsobjekte (Winnicott, 1951). Eines der berühmtesten Beispiele ist sicherlich Linus von den Peanuts, der niemals ohne seine Schmusedecke zu sehen ist.

Was macht diese Objekte so nützlich für Kinder?

  • Sie helfen ihnen, von ihren Eltern unabhängiger zu werden: Sind die Eltern einmal nicht im selben Raum mit dem Kind, ist der Teddybär da, gibt Sicherheit und spendet Trost. Es ist kein Zufall, dass Plüschtiere oder auch andere Übergangsobjekte normalerweise weich sind und geknuddelt und gestreichelt werden können – denn damit ähneln sie der Mama, also der Bezugsperson, die sich in der Regel in den ersten Monaten ums Baby kümmert.
  • Sie helfen dabei, Ängste und Einsamkeit zu vertreiben.
  • Mit Plüschtieren lernen Kinder das Spielen, was eine immens wichtige Fähigkeit ist, die der Erhaltung der mentalen Gesundheit dient.
  • Des Weiteren helfen sie dem Kind dabei, sprechen zu lernen, denn Kinder nutzen oftmals ihre Kuscheltiere zum Üben.
  • Kinder gehen mit ihren Plüschtieren auf große Abenteuer. Dadurch werden ihre Vorstellungskraft und Kreativität geschult.
  • Wenn Kinder ihren Plüschtieren von ihren Erlebnissen oder auch Sorgen erzählen, gibt ihnen das die Chance, das Erlebte noch einmal zu durchdenken und zu ordnen.

Übergangsobjekte sind also oftmals die ersten Spielgefährten, die ein Kind hat. Sie spenden Trost, helfen gegen die Angst vor dem Alleinsein, sind immer für das Kind da und stehen für eine stabile, vorhersagbare Welt.

Plüschtiere geben auch Erwachsenen Sicherheit und Halt

Wenige Erwachsene reden von sich aus darüber, dass sie ein Kuscheltier besitzen – und noch weniger geben zu, dass sie es mit ins Bett oder in den Urlaub nehmen. Bei vielen steckt wohl die Angst dahinter, für unreif gehalten zu werden oder noch schlimmer, dass behauptet wird, sie seien in ihrer psychologischen Entwicklung steckengeblieben.

Tatsächlich gibt es Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Besitz eines Plüschtieres und psychischen Problemen wie einer Borderline Störung aufzeigen. Diese Studien wurden allerdings nicht mit psychisch gesunden Menschen durchgeführt, sondern mit Erwachsenen, die sich in einer psychiatrischen Einrichtung befanden. Dabei kam heraus, dass Borderline Patienten und Patientinnen signifikant häufiger ein Plüschtier in die Klinik mitbrachten, als Menschen mit anderen Störungen.

Und auch wenn in populärwissenschaftlichen Magazinen ohne zugrundeliegende Studien Vermutungen angestellt werden, nach denen Erwachsene mit einer emotionalen Bindung zu ihrem Kuscheltier unter Bindungsunsicherheit und emotionaler Instabilität leiden, wurde das bereits in einer Untersuchung von 2012 unter 148 gesunden jungen Erwachsenen widerlegt. Danach gibt es zwischen Personen, die keinen Teddybär besitzen und solchen, die im Besitz eines Teddys sind (ganz egal ob aus der Kindheit oder erst kürzlich gekauft) keinen Unterschied zwischen Unreife, Pflichtbewusstsein, Bindungsstil, Neurotizismus oder auch der Fähigkeit zur Selbstregulation. Es besteht also kein Zusammenhang zwischen dem Besitz eines Plüschtieres und deren psychischer oder geistiger Gesundheit (Brody et al., 2012).

In einer anderen Untersuchung hat man herausgefunden, dass Erwachsene beim Spielen 20% weniger logen und dass sie in Buchstabenspielen moralischere Wörter fanden (wie „pur“ oder „Tugend“), wenn sie sich in einem Raum mit Kinderspielzeug wie z. B. Teddybären befanden (Desai, 2011).

Was genau Kuscheltiere bei Erwachsenen bewirken, ist wissenschaftlich nicht belegt. Man geht davon aus, dass sie in einer sich ständig ändernden Welt das Gefühl von Beständigkeit vermitteln, vor allem wenn es sich um Kuscheltiere aus der Kindheit handelt. Durch die in der Kindheit erlernten Muster kann der liebgewonnene Teddy in schweren oder beunruhigenden Zeiten Trost spenden und beruhigend wirken. Mit Kuscheltieren zu spielen kann der Ernsthaftigkeit des Lebens eine Weile lang etwas Leichtigkeit entgegensetzen. Wie auch bei Kindern könnte der Teddybär dazu beitragen, dass ihr Besitzer sich sicherer und weniger ängstlich oder alleine fühlen.

Außerdem wird vermutet, dass Teddybären beim Einschlafen helfen können. Für Kinder ist der Teddy im Arm oftmals ein Zeichen dafür, dass jetzt Zeit zum Schlafen ist. Dieses erlernte Muster könnte sich auch im Erwachsenenalter fortsetzen – wer beim Zubettgehen einen Teddy im Arm hält, zeigt damit seinem Gehirn: Es ist Zeit zum Schlafen.

Meiner persönlichen Meinung nach tragen Kuscheltiere auch dazu bei, dass sich unser inneres Kind geborgen und gut aufgehoben fühlt. Was für uns Erwachsene wiederum dazu führt, dass wir mehr in unserer inneren Mitte sind.

Nicht zuletzt können die positiven Emotionen, die unser Teddy in uns auslöst, auch mit dem Wissen zusammenhängen, dass ihn uns jemand mit viel Liebe geschenkt hat. Wem also noch die perfekte Idee für ein Weihnachtsgeschenk fehlt: Vielleicht wäre ein Teddybär genau das Richtige!

Falls du den nächsten Blogpost und weitere Neuigkeiten nicht verpassen möchtest, folge mir gerne auf Instagram (@christianeschreibtvomglueck).


Quellenangaben:

Brody, S., Costa, R.M. & Hess, U. (2012). Sometimes a Bear is Just a Bear: No Evidence of Nonclinical Adult Toy Animal Ownership Indicating Emotion Dysregulation. Journal of Adult Development, 19(3), 177–180.

Desai, S. D. (2011): Adults behave better when teddy bears are in the room. Harvard Business Review (09), 30-31. (Link)

Winnicott, D. W. (1989): Transitional Objects and Transitional Phenomena. In: Playing and Reality (1-25). Routledge. (Link)

2 Kommentare zu „Bärenstark“

  1. Liebe Christiane,

    vielen Dank für diesen wirklich schönen Beitrag. Für mich ist er wie eine tolle Mischung aus „gelesenem nach Hause Kommen“ und interessanter Fakten.

    Ich selbst habe ebenfalls noch einen Teddy, wenngleich er mittlerweile in wohlverdienter Rente ist und mich immer in der Vitrine sitzend begrüßt, wenn ich meine Eltern besuche.

    Stellvertretend für ihn haben sich allerdings Postkarten mit Bären und nicht zuletzt Weihnachtskalender mit eben diesen etabliert.
    Denn wie heißt es so schön: „Tradition bedeutet nicht das Aufbewahren der Asche, sondern das Weitertragen der Flamme“ – Weiterentwicklung und eine Anpassung an das gelebte „Heute“ können also durchaus mit in der Vergangenheit Geborenem Hand in Hand gehen.

    In diesem Sinne:
    Frohe Weihnachtstage und einen guten Start in das neue Jahr – ich hoffe, mich sehr auf viele weitere Zeilen von Dir freuen zu dürfen.

    Herzliche Grüße

    1. Hallo Paul, vielen herzlichen Dank für Deine Nachricht. Es freut mich wirklich, dass Dir der Artikel gefallen hat und dass Du Dich darin wiedergefunden hast. Die Geschichte mit den Postkarten und dem Weihnachtskalender finde ich super!

      Der Spruch „Tradition bedeutet nicht das Aufbewahren der Asche, sondern das Weitertragen der Flamme“ gefällt mir übrigens richtig gut, den werde ich mir auf jeden Fall merken!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen