Two hands holding a small plant to symbolize growth mindset

Growth Mindset: Dein Weg zu Wachstum und Erfolg

Ende der 1980er Jahre prägte die renommierte Psychologie-Professorin Carol Dweck einen Begriff, der heute in aller Munde ist: Growth Mindset. Dieser Begriff beschreibt das Phänomen, dass wir es selbst in der Hand haben, wie gut wir Herausforderungen meistern. Wer mit einem Growth Mindset an die Sache herangeht, hat die größte Aussicht auf Erfolg. In der Positiven Psychologie ist das Growth Mindset ein wichtiges Konzept, denn es wirkt sich stark auf unsere Resilienz und unser Gefühl von Selbstwirksamkeit aus.

Was versteht man unter Growth Mindset?

Das Growth Mindset, auch Wachstumsmentalität genannt, beschreibt die Überzeugung, dass unsere Fähigkeiten und unser Können durch Übung, Feedback, Beobachtung und Erfahrung weiterentwickelt werden können. Im Gegensatz dazu steht das Fixed Mindset: Die Annahme, dass unsere Talente und Fähigkeiten unveränderlich sind und allein von unseren angeborenen Eigenschaften abhängen.

Vermutlich gehen die meisten von uns davon aus, im Besitz eines Growth Mindsets zu sein. Überraschenderweise haben jedoch bis zu 40% der Menschen ein Fixed Mindset! Dabei hat es tiefgreifende Auswirkungen, mit welcher Mentalität wir durchs Leben gehen, denn es:

  • bestimmt, wie wir Herausforderungen begegnen
  • beeinflusst unseren Umgang mit Fehlern
  • entscheidet, wie wir unser Potenzial ausschöpfen

Growth Mindset vs. Fixed Mindset: Die Unterschiede

Der Kernunterschied zwischen Growth und Fixed Mindset zeigt sich in der Reaktion auf Herausforderungen. Erst neulich habe ich beim Spaziergang durch den Park das perfekte Beispiel dafür erlebt. Ich bin an einem Paar vorbeigelaufen, das mit seinem etwa siebenjährigen Sohn und dessen vielleicht dreijährigen Geschwisterchen unterwegs war und ihnen das Fahrradfahren beibringen wollte. Während das jüngere Kind auf seinem kleinen Fahrrad saß und sich munter mit den Füßen vorwärts stupste, hat sein älterer Bruder einen Wutanfall bekommen und sein Fahrrad hingeworfen. Als ich zehn Minuten später wieder an der Familie vorbeikam, stand der Junge immer noch laut schreiend am Wegrand, das Rad zu seinen Füßen. Er hat sich geweigert, es noch einmal zu versuchen. Sein Geschwisterchen dagegen saß immer noch fröhlich auf dem kleinen Rad. Und auch wenn es die Pedale nicht genutzt hat, ist es trotzdem gut vorangekommen.

Verschiedenen Studien, die unter anderem von David Nussbaum und Carol Dweck durchgeführt wurden, haben gezeigt, in welchen Bereichen sich Menschen mit Growth und Fixed Mindset unterscheiden:

Growth MindsetFixed Mindset
Stellt sich Herausforderungen mit FreudeVermeidet Herausforderungen aus Angst vor Versagen
Stellt klärende Fragen, um zu lernenSieht Fragen als Schwäche an
Strengt sich an, um besser zu werdenAnstrengung wird als Zeichen mangelnder Fähigkeiten gesehen
Bleibt bei Schwierigkeiten beharrlichGibt bei Schwierigkeiten schnell auf
Sieht Feedback als Chance zum WachstumEmpfindet Feedback als persönliche Bedrohung
Trifft Entscheidungen und übernimmt Verantwortung dafürVermeidet Entscheidungen und sucht Sicherheit in Gruppenentscheidungen
Analysiert Fehlschläge, um daraus zu lernenIgnoriert Gründe für Fehlschläge
Konzentriert sich auf persönliches Wachstum statt auf SelbstdarstellungVersucht, die eigene Überlegenheit und Genialität zu beweisen
Freut sich über den Erfolg andererFühlt sich durch den Erfolg anderer bedroht
Geht kalkulierte Risiken einVermeidet Risiken oder geht übermäßig hohe Risiken ein
Investiert Zeit in Lernen und Förderung andererIst der Meinung, alles Wichtige bereits zu wissen
Schätzt eigene Fähigkeiten realistisch einÜberschätzt eigene Fähigkeiten
Gibt Fehler offen zu und lernt darausSucht nach Ausreden für Fehler
Ist unabhängig von der Meinung andererIst abhängig von der Anerkennung anderer

Du kannst dir sicher vorstellen, wie sich ein Fixed Mindset auswirkt. Carol Dweck beschreibt in einem Artikel im Harvard Business Review eindrucksvoll, welche Folgen es haben kann, wenn beispielsweise ein Brückenbauer nicht bereit ist, auf andere Meinungen zu hören. Und dafür, was passiert, wenn ein Politiker sich für unfehlbar hält und übermäßig hohe Risiken eingeht, gibt es leider viel zu viele Beispiele.

Ein interessantes Phänomen bei Menschen mit einem Fixed Mindset ist übrigens auch ihre verzerrte Selbstwahrnehmung: Sie konzentrieren sich stark auf ihre Erfolge, während sie so gut es geht ihre Misserfolge ignorieren. Indem sie nicht über ihre Fehlschläge nachdenken und sie somit auch nicht verarbeiten, sondern nur die eigenen Erfolge sehen, entwickeln sie im Laufe der Zeit ein stark verzerrtes Selbstbild und halten sich anderen gegenüber für überlegen.

Praxistipps für die Förderung einer Wachstumsmentalität

Der Psychologie-Professor David Yaeger, der viel im Bereich der Wachstumsmentalität forscht, gibt im Podcast „The Happiness Lab“ einige Tipps zur Förderung des Growth Mindset:

  1. Gedanken bewusst steuern
    Nimm dir immer mal wieder Zeit, um deine alltäglichen Gedanken zu analysieren. Entsprechen sie einem Growth oder einem Fixed Mindset? Entscheide dich bewusst, den Gedanken zu glauben, die dem Growth Mindset entsprechen.
  2. Die eigenen Annahmen regelmäßig auf ihre Richtigkeit überprüfen
    Achte darauf, dass du nicht dem sogenannten „Confirmation Bias“ verfällst, also der Tendenz, neue Informationen so zu interpretieren, dass sie deine Erwartungen erfüllen beziehungsweise in dein Weltbild passen. Passen sie nicht dazu, werden sie schnell einmal als falsch eingestuft.
  3. Innere Kritiker benennen und transformieren
    Personifiziere deine negativen Gedankenmuster, indem du ihnen Namen gibst. Dies hilft dir, distanziert und humorvoll mit destruktiven Gedanken umzugehen und sie in konstruktive Perspektiven zu verwandeln. Das könnte so aussehen: „Ach, Larry. Du mal wieder mit deinem Das kriegst du nie hin. Danke für deinen Input, aber ich glaube lieber Heidrun, die mir sagt, dass ich das schon noch schaffen werde.“
  4. Nutze die Macht des „noch nicht“
    Ersetze absolute Aussagen wie „Das klappt nie“ durch wachstumsorientierte Formulierungen mit „noch“. Dadurch zeigst du das Entwicklungspotential auf und nimmst einen positive und entwicklungsorientierte Perspektive ein. Statt „Das schaffe ich nie“ heißt es also von jetzt an: „Das schaffe ich noch nicht.“
  5. An Veränderungsmöglichkeit glauben
    Die Forschung belegt, dass eine positive Veränderung von Fertigkeiten möglich ist und dass vieles nicht vom Talent abhängt, sondern erlernbar ist. Veränderungen lassen sich jedoch nur erzielen, wenn man auch daran glaubt. Wie hat Henry Ford so schön gesagt? „Ganz gleich, ob Sie denken, Sie können etwas oder Sie können es nicht: Sie haben recht.“
  6. Fortschritte reflektieren
    Dokumentiere und reflektiere regelmäßig deine Entwicklungsfortschritte, indem du deine aktuellen Fähigkeiten mit früheren Zuständen vergleichst. Das zeigt dir auf, welche kleinen und großen Fortschritte du bereits gemacht hast, die ansonsten oft unbemerkt bleiben.
  7. Prozessorientierte Sprache verwenden
    Achte auf die richtige Wortwahl und verwende prozessorientierte statt ergebnisorientierte Formulierungen. Das gilt vor allem in Bezug auf Kinder: Lobe den Einsatz, die harte Arbeit und die Ausdauer statt angeborener Talente oder Intelligenz. Statt zu deinem Kind zu sagen: „Du bist ein toller Flötenspieler“, sag lieber: „Ich finde es toll, dass du so oft Flötespielen übst. Du bist wirklich gut geworden!“ Diese Praxis fördert ein Growth Mindset.

Was für mich bei der Forschung zum Thema Growth Mindset fehlt, ist die Frage, was hinter dem Fixed Mindset mancher Menschen steckt. Natürlich kann es daran liegen, dass man es von seinen Bezugspersonen übernommen hat oder dass man mehr für seine Talente und seine Intelligenz gelobt wurde, als für die Mühe und Ausdauer, die man in etwas hineingesteckt hat. Dafür spricht auch, dass man in Untersuchungen das Mindset der Versuchspersonen relativ leicht ändern konnte – in beide Richtungen. Das soll heißen, wenn man wollte, dass sie ein Fixed Mindset annehmen, hat man sie darüber „aufgeklärt“, dass Talent und Intelligenz nicht veränderbar sind. Sollten sie ein Growth Mindset annehmen, hat man ihnen das Gegenteil erklärt.

Die mit einem Fixed Mindset beschriebenen Verhaltensweisen können meiner Meinung nach aber genauso aus zwei anderen grundlegenden, oft unbewussten Einstellungen resultieren: Einerseits einem negativen Selbstbild, das sich – für andere oft unbemerkt – in einem Mangel an Selbstbewusstsein zeigt. Andererseits in einem übermäßig hohen Sicherheitsbedürfnis. Deshalb wäre mein Rat für diejenigen, die Fixed Mindset Verhaltensweisen bei sich erkennen, nicht nur auf die oben genannten Punkte zu achten, sondern einmal genau zu prüfen, worauf dieses Verhalten zurückzuführen ist, und bei Bedarf auch hier entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Fazit: Warum die Wachstumsmentalität dein Leben verändern kann

Ein Growth Mindset ist mehr als eine Technik – es ist eine Lebensphilosophie, die zu persönlichem Wachstum, Resilienz und langfristigem Erfolg führt. Menschen mit einem Growth Mindset stellen sich Herausforderungen, lernen aus Fehlern und sehen das Leben als ständige Gelegenheit, sich zu verbessern. Und das Schöne ist: Es ist nie zu spät, diese Perspektive zu übernehmen!

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